Liebe Anwesende,
wir stehen hier an der Bodenintarsie des „Engels der Kulturen“.
Auf einem Hinweisschild ist folgendes zu lesen:
Engel der Kulturen
Bodenintarsie
verlegt am 26. April 2013
Der „Engel der Kulturen“ ist ein Symbol für Integration und für das friedliche Zusammenleben aller Menschen in unserer Stadt und in der Welt.
Er ist damit zugleich ein Zeichen gegen Intoleranz, Vorurteile, Ausgrenzung, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Fremdenangst, Rassismus und Rechtsextremismus.
Künstlerische Idee und Ausführung:
Carmen Dietrich und Gregor Mertens
Gut Zehn Jahre sind also vergangen, seit der Verlegung dieser Bodenintarsie, in der die Symbole der drei abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum, und Islam, der Stern, das Kreuz und der Halbmond am Rande angedeutet werden. Die Zeichen stehen hier stellvertretend für alle Kulturen und Religionen. So tauchen sie nur unvollständig aus dem umgebenden Ring auf, die komplette äußere Form wird erst durch die innere Wahrnehmung des Betrachters sichtbar. Dazwischen und dahinter ist die ganze Vielfalt der Kulturen vorstellbar.
Der Engel der Kulturen ist ein Kunstprojekt zur Förderung des Zusammenhalts in unserer multikulturell geprägten Gesellschaft. Es ist keine religiöse Absicht damit verbunden. In die zunehmend angespannte Situation zwischen den Angehörigen verschiedener Kulturen und Religionen hinein, formuliert der ENGEL DER KULTUREN ein vermittelndes Zeichen.
Weltweit wurden inzwischen hunderte Engel-der-Kulturen-Bodenintarsien an exponierten Orten von den Künstlern Carmen Dietrich und Gregor Merten und engagierten Bürgerinnen und Bürgern verlegt.
Die Initiative zur Verlegung der Bodenintarsie „Engel der Kulturen“ in Ahrensburg, als damals zweiter Stadt in Schleswig Holstein, ging von Hans Peter Weiß, dem Gründer des Ahrensburger NetzWERK Migration & Integration, aus. Der Anspruch war, durch Einbeziehung vieler Menschen, die Entwicklung einer sogenannten Sozialen Plastik in Ahrensburg zu fördern. Damit ist eine Zivilgesellschaft gemeint, die sich einsetzt für ein Zusammenleben in versöhnter Verschiedenheit und so entschieden rassistischen, antisemitischen, islamophoben und fundamentalistischen Tendenzen entgegenwirkt. Die Zuordnung zum ENGEL DER KULTUREN soll es den Menschen ermöglichen, ihr Bedürfnis nach friedlicher Koexistenz in gegenseitigem Respekt öffentlich und deutlich zum Ausdruck zu bringen. Gemeinschaftliches Handeln und die kreative Mitwirkung an Aktionen, die das friedliche Zusammenleben in unserer Stadt fördern, können auch anderen Menschen Impulse geben, sich aktiv und gestaltend für das Gelingen der multikulturell geprägten Gesellschaft einzusetzen. Das von Joseph Beuys propagierte Kunstkonzept der Sozialen Plastik bezieht menschliches Handeln ein, das durch Spiritualität, Kreativität und Empathie auf Strukturierung der Gesellschaft ausgerichtet ist.
Der Engel der Kulturen ist nicht auf diese Bodenintarsie festgelegt. Hier ist nur ein Ort der Ermutigung in dem beschriebenen Sinn. Die Impulskraft, die in Ahrensburg in den letzten zehn Jahren womöglich vom Engel der Kulturen ausgegangen ist und hoffentlich fortwährend ausgehen mag, ist vielleicht nicht zuletzt an den zahllosen wertvollen Initiativen, Aktionen und Taten erkennbar, die einzelne oder Gruppierungen, wie zum Beispiel das NetzWERK Migration & Integration oder der Runde Tisch sie immer wieder initiieren.
Der Engel der Kulturen ist ein wichtiger Meilenstein auf unserem Gang des Erinnerns. Er soll uns heute und immer wieder erinnern und ermutigen, dass wir im Hier und Jetzt und in Zukunft deutliche Zeichen gegen Intoleranz, Vorurteile und Ausgrenzung, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Fremdenangst, Rassismus, Hass und Rechtsextremismus setzen und uns für ein friedliches und tolerantes Zusammenleben in gegenseitigem Respekt stark machen sollen. Wir sind damit nicht allein, es ist das Anliegen aller Menschen guten Willens.
An dieser Stelle unseres Gangs des Erinnerns und der Ermutigung für mehr Mitmenschlichkeit und gegenseitige Akzeptanz wendet sich unser Blick von dem würdigenden Erinnern an die Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft hin zu den Herausforderungen und Aufgaben der Gegenwart und zu den Perspektiven für ein gelingendes Miteinander.
So schwer und mühsam, so frustrierend und ernüchternd uns dieser Weg auch oft vorkommen mag, so lohnend und zielführend ist es doch, dran zu bleiben, sich gegenseitig zu ermutigen und nicht nachzulassen. – In der Überlieferung fast aller Religionen und Kulturen kommen Engel ungefragt und gelten als Beschützer und Botschafter. Hoffen und vertrauen wir darauf, dass der Engel der Kulturen uns hier in Ahrensburg und überall anders weiterhin zur Seite stehen wird und uns ermutigt, weiterzumachen in der Gewissheit:
- Wir leben in einer Welt.
- Wir lassen einander zu und geben uns gegenseitig Raum zur Entfaltung.
- Mitmenschlichkeit und Achtung vor der Schöpfung prägen die von allen gebildete Mitte.
- Wir sind einander verbunden und werden nur gemeinsam und friedlich die Zukunft gestalten können.
Vielen Dank.
– Klaus Fuhrmann –